Liebe Geschwister im Predigtamt, bitte gestattet mir ein offenes Wort! In diesem Jahr war verschiedentlich davon die Rede, wie relevant die Kirche eigentlich (noch) sei. Auslöser waren die Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie und die Statistik zurückgehender Mitgliederzahlen. Auf allen Ebenen der Kirche wird über die Lage der Kirche und ihre Aussichten für die Zukunft diskutiert. Da gibt es vielerlei zu bedenken, und nichts in der Kirche darf davon ausgenommen sein, auf den Prüfstand gestellt zu werden. Es scheint mir aber ein Problem von zentraler Bedeutung zu sein: Was hat die Kirche eigentlich zu sagen?
Das zentrale Geschehen der Kirche soll der Gottesdienst sein. So steht es in unserem Bekenntnis, so wird es in unzähligen Leitbildern formuliert. Doch was wird da verkündigt? Nach mehr als dreißig Jahren Erfahrung als aufmerksamer Predigthörer und zehn Jahren als Prädikant werde ich den Eindruck nicht los, dass in der Kirche eine uneingestandene, aber verbreitete Verachtung der Predigt und der Gemeinde grassiert. Wir sollten uns fragen:
- Nehmen wir unser Gegenüber ernst? Achten wir, die uns zuhören, als verständige, mündige Menschen? Nehmen wir ihre Fragen und Themen wirklich ernst? Sind wir bereit, klar und deutlich zu reden?
- Nehmen wir die Sache ernst? Reden wir über Wesentliches? Kommt Gott wirklich als Gott in unserer Predigt vor? Sagen wir, was zu sagen ist, und schweigen, wenn wir nichts zu sagen haben?
- Nehmen wir uns selbst ernst? Reden wir über das, was auch uns interessiert und unbedingt angeht? Sind wir ehrlich mit uns selbst? Stehen wir zu Zweifel und Widerstand, die wir empfinden?
So mag sich ein jeder selbst prüfen. Auf die Qualität der Predigt größte Sorgfalt zu wenden, wäre ein wichtiger Beitrag für die Erneuerung der Kirche. Predigt bleibt ein riskantes Unterfangen. Aber es muss gewagt werden. Darum: Lasst uns bereit sein zu reden und zu schweigen, bereit sein zu hören und bereit, Rede und Antwort zu stehen!
