"Teufel"

Sat, 20 Feb 2021 07:55:48 +0000 von Hendrik Munsonius

In Wochenspruch (1. Johannes 3,8b), Evangelium (Matthäus 4,1-11) und Predigttext (Johannes 13,21-30) für den Sonntag Invokavit (21.2.2021) ist wiederholt vom Teufel die Rede. Über ihn hat sich Adolf von Harnack in einem Brief vom 22.2.1899 an seine Tochter in bedenkenswerter Weise geäußert:

"Was nun Deine Frage des Teufels wegen betrifft, so kann ja darüber kein Zweifel sein, daß die Heilige Schrift einen persönlichen Teufel meint (wenn auch sehr verschiedene Vorstellungen über ihn, die sich z.T. gegenseitig ausschließen, in den verschiedenen biblischen Büchern herrschen), und daß Christus und die Apostel an die Existenz eines persönlichen Teufels geglaubt haben. Es ist daher nicht schwer, 'mit der Bibel in der Hand' die Existenz eines Teufels zu verfechten - vorausgesetzt, daß die Bibel hier das letzte Wort hat und unfehlbar ist. Du weißt nun, daß letzteres nicht meine Meinung ist, ja auch nicht Luthers Meinung, der keineswegs an die Unfehlbahrkeit des Bibelbuchstabens geglaubt hat. Speziell nun von den Teufelsvorstellungen läßt sich nachweisen, wie sie geschichtlich geworden und gewachsen sind und mit allgemeinen Zeitvorstellungen zusammenhängen, die wir nicht mehr teilen. Trotzdem könnte es ja einen Teufel geben, und tiefsinnige, keineswegs auf den Kopf gefallene Leute behaupten das heute noch. Sie glauben, die innere Erfahrung von seiner Existenz gemacht zu haben; ich habe eine solche Erfahrung nicht gemacht; daher, und weil die historischen Berichte mir nicht schlechthin maßgebend sind, kann ich mich von seiner Existenz nicht überzeugen. Es kommt dazu, daß die ganze Vorstellung auch in philosophisch-theologische Schwierigkeiten verwickelt, von denen ich indes nicht reden will, da das zu lange dauern würde.
Ist somit die Existenz des Teufels mindestens sehr zweifelhaft, so würde ich doch die kategorische Behauptung: 'Es gibt keinen Teufel' für unvorsichtig halten; man sage lieber: 'Ich kenne keinen Teufel und kann mich bisher von seiner Existenz nicht überzeugen.'
Endlich aber - und das ist etwas sehr Wichtiges - eine Vorstellung wie die von der Existenz des Teufels, die so lange geherrscht hat und noch bei Vielen herrscht, die so ausgezeichnete, ernste, wahrhaft große Männer geteilt haben, die Christus und die Apostel hegten, muß einen Wahrheitskern in sich schließen. Er liegt, wie immer in solchen Dingen, nicht an der Form der Vorstellung, sondern ist an ihren Wurzeln verborgen. Daß die Sünde eine Macht ist, nicht nur ein Haufe einzelner Verfehlungen, daß sie uns beherrschen kann, daß die Sünden unter sich zusammenhängen und gleichsam ein Reich darstellen, daß es eine Welt des Dunklen und Bösen gibt, wie es eine Welt des Reinen, Klaren und Guten gibt, daß der Böse reizt und lockt, - das alles ist in der Vorstellung vom Teufel zusammen gefaßt und in einen sehr faßlichen Gedanken gebracht. Wer nun alle jene Wahrheiten nicht festzuhalten vermag ohne einen 'Teufel', der soll an seine Existenz nur glauben. Besser ist dieser Irrtum als der Verlust der Einsicht in den Ernst und die Schwere des Bösen."
(zitiert nach Agnes von Zahn-Harnack, Adolf von Harnack, 1936, S. 284-286)
Bestätigen

Bist du sicher?